Die Mindestanforderungen an ein ERP-System
Gerade heute steht das Thema Digitalisierung im gesamten Leben im Mittelpunkt. Auch wenn der ein oder andere nur gelegentlich damit zu tun hat oder haben möchte, werden dennoch sehr viele Prozesse digitalisiert oder digital abgewickelt.
Aber was bedeutet Digitalisierung im Unternehmen und was hat das mit einem ERP-System zu tun? Im folgenden Artikel beantworten wir nicht nur diese Fragen, sondern erklären Ihnen auch, was ein ERP-System leisten sollte, damit Sie eine zukunftssichere Struktur in Ihrem Unternehmen aufbauen können.
Digitalisierung im Unternehmen und das ERP-System
Jeder Interessierte kennt die Vorteile des Onlineshoppings und hat sich schnell an den Komfort der elektronischen Bestellung sowie des Trackings der bestellen Ware gewöhnt. Aber auch Prozesse, die nicht für jeden sichtbar sind, unterliegen der digitalen Verarbeitung.
Der Vorteil der Digitalisierung liegt vor allem darin, in kürzester Zeit auf Informationen und Daten Zugriff zu haben. Dadurch ist es möglich, zügig und angemessen zu reagieren, die richtigen Entscheidungen zu treffen und weitere Abläufe zu organisieren.
Dabei sollte man aber auch beachten, dass die starke Vernetzung in einer globalisierten Welt massiven Einfluss darauf hat, dass Entscheidungen nicht nur lokale Auswirkungen für die beteiligten Person oder Unternehmen haben, sondern auch das gesamte Umfeld beeinflussen können.
Welche Bedeutung hat die Digitalisierung aber für Unternehmen? Längst ist ein ERP-System nicht mehr das einzig genutzte System in Betrieben, wohl aber das Wichtigste. Neben Programmen der Finanzbuchhaltung, Lager & Logistik, Produktion, Tourenoptimierung sowie Business Intelligence bildet das ERP-System das Herzstück eines Unternehmens. In ihm sind alle digitalen Prozesse auf die Art und Weise abgebildet, wie das Unternehmen agiert – sei es mit einer starken branchenspezifischen Ausrichtung oder mit Besonderheiten im Kundenumgang.
Somit könnte ein ERP-System als „Herz der Unternehmens-IT“ bezeichnet werden. Es ist das zentrale Organ für die Datenverarbeitung. Allerdings kann das System nicht alleine für alle Bereiche verantwortlich sein, auch da diese je nach Unternehmensschwerpunkt sehr speziell sein können. Aus diesem Grund muss es Schnittstellen zur Vernetzung mit den Sattelitensystemen geben.
Eine sehr wichtige Rolle spielt dabei der Bereich des e-Business, aufgeteilt in EAI (innerhalb eines Unternehmens) und EDI (über Unternehmensgrenzen hinweg). Bei der Konzeption sollten also sehr genau alle Anforderungen bedacht werden, die von intern oder von externen Partnern an das System gestellt werden.
Gerade bei einer Aktualisierung oder bei einem Wechsel auf ein neues ERP-System ist es wichtig, die richtigen Fragen zu stellen und zu wissen, welche Verantwortung dem Hersteller des ERP-Systems zukommt und womit man ein solches System überfrachtet.
Fragt man bei entsprechenden ERP-Anbietern nach, erhält man durchaus unterschiedliche Antworten. Kaum ein Hersteller wird die Frage nach der e-Business-Fähigkeit verneinen. Dennoch sind die Unterschiede der angebotenen Lösung extrem. Aussagen wie, „das ist überhaupt kein Problem für uns“ bis hin zu „es gibt ein EDI-Modul dazu“ oder auch „wir können EDIFACT direkt verarbeiten“ zeigen die Bandbreite der möglichen Antworten.
Die EDI-Fähigkeit
Was bedeutet EDI-Fähigkeit für den ERP-Hersteller? Um diese Frage zu klären, ist es vor allen Dingen wichtig zu wissen, welche Verantwortung welchem System zukommt. Grundlegende Voraussetzung dafür ist, dass es definierte, möglichst im Standardpaket vorhandene Schnittstellen gibt.
Wir versuchen das anhand des Beispiels einer eingehenden Bestellung zu verdeutlichen:
Blicken wir auf den Ablauf einer Kundenbestellung, die per Telefon, durch den Außendienst oder per E-Mail kommt. Der Sachbearbeiter im Verkauf entnimmt die Information, was der Kunde wünscht. Dabei laufen Prozesse ab, die eine ganze Menge internes Know-How erfordern und Fragen abdecken wie:
- Ist der Kunde bekannt?
- Sind alle relevanten Informationen bereits im System hinterlegt?
- Welches Produkt deckt seine Anforderungen ab?
- Wie lautet die interne Artikelnummer?
- Ist die bestellte Menge auf Lager bzw. verfügbar?
Kann das Lieferdatum eingehalten werden?
Überträgt man den Vorgang nun auf eine elektronische Bestellung, bedeutet das, dass zwischen dem Kunden und dem liefernden Unternehmen die Stammdaten eine wichtige Rolle spielen. Bei Kunden, mit denen eine enge Beziehung besteht, liegen die Informationen über Lieferantenartikel bereits vor und der Kunde weiß, was er mit welchem Artikel bestellt. Im B2C-Bereich (Business to Customer) werden diese Artikel beispielsweise in einem Shopsystem angegeben und in der Beschreibung möglichst eindeutig geklärt, was man zu erwartet hat, bzw. für welchen Zweck dieser Artikel einsetzbar ist.
Bei einer elektronischen Bestellung ist sowohl der physische Kommunikationsweg als auch das verwendete Format partnerspezifisch und damit eine klar definierte Aufgabe für ein e-Business-System.
Die Aufgabe, die Bestellung in einen Auftrag zu verwandeln, kommt wiederum dem ERP-System zu. Dafür bedarf es einer Schnittstelle, die klare Vorgaben hat, welche Informationen für eine Auftragsanlage vorhanden sein müssen und zusätzlich alle notwendigen Prüfungen durchführt.
Das wären unter anderem:
- Ist der Kunde bekannt oder muss ein Kundenkonto angelegt werden
- Ist die Artikelnummer bekannt (Kundenartikelnummer versus Lieferantenartikelnummer)
- Welcher Preis gilt (woher wird diese Information bezogen)
Ist die bestellte Menge verfügbar oder muss darüber hinaus eine Reservierung im Lager vorgenommen werden
All diese Prüfungen sollten bei einem EDI-fähigen ERP-System vorhanden sein und dafür sorgen, dass aus der eingehenden Bestellung automatisch ein Auftrag generiert werden kann.
Ein weiteres Beispiel anhand einer Rechnung, soll zeigen, dass bei ausgehenden Informationen auch organisatorische Gegebenheiten vorhanden sein müssen. Bei elektronischen Geschäftsprozessen ist davon auszugehen, dass Abläufe entlang der Supply-Chain vollautomatisch, also ohne menschliches Zutun, ablaufen.
Damit stellt sich bei der wiederholten Ausgabe die Frage, wie das von statten geht. Nicht nur, dass alle Informationen auf einer Rechnung vorhanden sein müssen, es ist auch zu klären, ob ein Kennzeichen vorhanden ist wie, welcher Kunden seine Rechnung per Papier, per PDF, als Mail oder elektronisch (und in welchem Format) bekommt. Um diese Fragen beantworten zu können, muss also im ERP-System eine prozessspezifische Stammdatenpflege zu den Kunden vorhanden sein.
Es gibt aber noch wesentlich mehr Anforderungen, welche eine grundsätzliche EDI-Fähigkeit des ERP-Systems bedingen. Diese unterteilen sich in Mindestvoraussetzungen sowie Funktionalitäten, die über grundlegende Anforderungen hinausgehen.
Die Mindestanforderungen an ein ERP-System
Ein ERP-System hat vor allen Dingen die Aufgabe, die prozessualen Abläufe im Unternehmen bestmöglich abzubilden – vom Verkauf über Produktion, Beschaffung und Kommissionierung bis hin zur Rechnungsstellung und Buchhaltung, aber auch die Themen des Personalwesens (HR, Human Ressources) gehören dazu. Allein in dieser Aufstellung wird vielen von Ihnen auffallen, dass in einigen Bereichen Lösungen zum Einsatz kommen, die nicht aus dem Haus Ihres ERP-Herstellers stammen, sondern „angedockt“ sind. Diese Umsetzung resultiert oftmals daraus, dass die ERP-eigenen Funktionalitäten in einigen Bereichen nicht vorhanden sind oder der geforderten Komplexität nicht ausreichend Rechnung tragen.
Grundvoraussetzung/Schnittstelle
Grundvoraussetzung für ein ERP-System im Bereich des e-Business ist also, dass es definierte Schnittstellen und Technologien gibt, um externe Systeme anzudocken. Es sollte für möglichst jeden Prozess eine beschriebene Struktur mit Informationen erhalten. Das Format bzw. die Art und Weise, wie diese Informationen übergeben werden, spielt dabei keine Rolle – das e-Business-System sollte in der Lage sein, die Daten entsprechend anzupassen.
Schon das Bereitstellen dieser Schnittstellenbeschreibungen oder das Benennen von unterstützten elektronischen Geschäftsprozessen seitens des ERP stellt den einen oder anderen Herstellern vor Probleme.
Steuerungsmöglichkeit
Ebenso wichtig ist die Steuerungsmöglichkeit so zu kennzeichnen, dass klar ist, welcher Partner welche Geschäftsprozessinformationen über welchen Weg erhält bzw. senden kann. Es sollte deutlich erkennbar sein, welche Informationen vorhanden sein müssen, um diese adäquat und korrekt verarbeiten zu können, und welche optional sind.
Prüfungen und Verarbeitungsschritte
Einer der wichtigsten Punkte ist, dass die unterstützen Geschäftsprozesse alle notwendigen Prüfungen und Verarbeitungsschritte enthalten. Ist dies nicht der Fall, kann davon ausgegangen werden, dass mehr als 2/3 der Aufwände für die Bereitstellung dieser Funktionalitäten an den ERP-Hersteller fließen. Und das ist noch nicht alles. Wenn an dieser Stelle Programmieraufwand geleistet werden muss, bedeutet das oft, dass eine kundenspezifische Lösung entwickelt wird, die bei jedem Releasewechsel für zusätzlichen Aufwand sorgt.
Darum sollten Sie bei jeder ERP-Auswahl nachfragen, für welche Prozesse elektronische Schnittstellen vorhanden sind, ob es dazu eine Beschreibung (ähnlich einer API – Application Programm Interface) gibt und ob alle angebotenen Feldinformationen auch tatsächlich im ERP-System verdrahtet sind.
Kann der ERP-Hersteller diese Fragen mit „Ja“ beantworten, haben Sie schon ein großes Stück des zu beschreitenden Weges zurückgelegt. Auch die Frage, wie Daten übergeben werden, kann von Bedeutung sein. Typische Wege sind Files, die in bestimmten Verzeichnissen abgelegt oder aufgenommen werden sowie modernere Verfahren wie WebService, REST, http(s) etc.
Sie sollten wissen, dass der Bereich e-Business einer derer ist, in dem eine extrem große Heterogenität gegeben ist. Auch wenn in sehr vielen Fällen von Standards die Rede ist, sind doch viele so mächtig, dass sich letztlich branchen- oder auch partnerspezifische Besonderheiten herausbilden. Dagegen steht aber der grundlegende Ansatz, dass ERP-Systeme prozessspezifisch und nicht partnerindividuell arbeiten sollten. Hat man das verstanden, sind die folgenden Anforderungen, die sich auf die EDI-Fähigkeit eines ERP-Systems beziehen, leicht zu verstehen.
Erweiterte EDI-Funktionalität
Über die Mindestvoraussetzungen haben Sie nun hoffentlich ein etwas klareres Bild. Was aber können Sie unter erweiterte EDI-Funktionalität verstehen?
Erst einmal muss klar sein, dass mit der Abgabe von Informationen in definierten Formaten der Geschäftsprozess noch nicht beendet ist. Lediglich die Übergabe an das nächste System ist damit gelöst. Der Geschäftsprozess an sich läuft aber noch weiter. Also geht es nun darum, möglichst auch die Aufgaben des nächsten Systems zu kontrollieren und zu überwachen – und zwar ohne eine Einarbeitung oder Bedienung der Vielzahl von Folgesystemen.
Bleiben wir beim Beispiel der ausgehenden Rechnungen: Sie haben alle Einstellungen im ERP-System vorgenommen, um Rechnungen elektronisch an das Folgesystem zu übergeben. Ist dieses System ein e-Business-System, wird es die Rechnungsinformationen aufnehmen, für den Partner bzw. Kunden aufbereiten und an den Empfänger übertragen. Dessen System erhält die Rechnungen, spielt sie vollautomatische ein, führt eine Rechnungsprüfung durch und wird die Rechnungen für den nächsten Zahlungslauf bereitstellen.
Sie als Absender der Rechnungen sollten jedoch in jedem Augenblick Kenntnis darüber haben, was der aktuelle Stand ist. Das heißt unternehmensintern, dass das weiterverarbeitende System Statusmeldungen zur aktuellen Rechnung möglichst in das ERP-System zurückgeben kann.
Folgende Meldungen sind z. B. möglich:
- Daten erhalten
- Aufbereitung ins Zielformat abgeschossen
- Daten wurden versandt
- Kunde hat Rechnung erhalten
- Zahlungsfreigabe beim Kunden erfolgt
Dazu ist es nötig, dass das e-Business-System während seiner Verarbeitung Statusinformationen generieren und das ERP-System diese Informationen der entsprechenden Rechnung zuordnen kann. Die Anzeige zum Belegstatus für den Sachbearbeiter sollte dann innerhalb des ERP-Systems möglich sein.
Dadurch können auch prozessübergreifende Informationen ins ERP-System und damit in die Arbeitsumgebung der Sachbearbeiter eingespielt werden. Als Folgeprozess für eine Rechnung wäre das z. B. der Zahlungsavis oder der elektronische Kontoauszug, der bei Rückmeldung des Kunden im ERP-System anzeigt, dass die Rechnung bezahlt wurde.
Für alle diese Prozessinformationen muss ein ERP-System Übergaben bereitstellen, um den Anspruch an eine sehr gute EDI-Fähigkeit gerecht zu werden.
Dazu gehört allerdings auch, dass im Falle der Weiterverarbeitung Fehler auftreten können, die es zu behandeln gilt. Daran schließt sich die Aufgabe einer Eskalationsroutine an, welche nicht immer vollautomatisch durchgeführt werden kann. Eine einfache Rückmeldung an den entsprechenden Sachbearbeiter ist oftmals schon ausreichend, um klarzustellen, dass Fehler bei der Weiterverarbeitung aufgetreten sind und dem nachgegangen werden muss.
Fazit und Tipps für das weitere Vorgehen
Die EDI-Fähigkeit eines ERP-Systems lässt sich für Profis relativ einfach erkennen. Um aber zu verstehen, wo die Verantwortung des ERP-Systems endet, was ihm zumutbar ist und was nicht, sollten man einiges beachten:
Ein ERP-System arbeitet grundsätzlich prozessbezogen und nimmt auf partnerspezifische Besonderheiten in der Regel keine Rücksicht. Es bildet die unternehmensspezifischen Anforderungen an Prozesse ab und verwaltet die dazugehörigen Daten. Eine Schnittstelle sollte daher immer eindeutig sein.
Gibt es Interfaces und Programme, die aus eingehenden Kundenbestellungen Aufträge machen, so sollte diese Schnittstelle für alle Bestellungen genutzt werden. Die Prüfungen und Funktionalitäten werden somit immer genutzt, egal ob die Bestellung durch einen Sachbearbeiter oder über einen anderen Weg empfangen wird – es werden bei allen Wegen stets die gleichen Dinge abgeklärt.
Um sicherzugehen, dass Ihr ERP-System wirklich e-Business-fähig ist bzw. dass Sie bei der Auswahl eines neuen ERP-Systems die richtigen Fragen stellen, bringen Sie die Spezialisten des ERP-Systems mit denen des externen Systems zusammen und besprechen Sie die Verantwortlichkeiten.
Oftmals klären sich diffizile Fragen dann schnell und ohne dass sich eine der beiden Parteien aufs dünne Eis begeben muss. Wichtig für die korrekte Orchestrierung ist, dass Sie eine klare Vorstellung der Abläufe haben und ebenso beurteilen können, welche Verantwortung welchem der beteiligten Partner zukommt. Nur so werden Sie dem Thema Digitalisierung erfolgreich entgegentreten und eine skalierbare und klar definierte Struktur im Unternehmen aufbauen, mit der Sie auch in den nächsten Jahren alle Anforderungen erfolgreich bewältigen können.
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